IT-Recruiting - Herausforderungen für KMU

 IT-Recruiting - Herausforderungen für KMU

Die deutschen Personaler haben es schwer, offene Vakanzen zu besetzen, das ist kein Geheimnis. Gerade im Bereich IT sind Fachkräfte begehrt. Gute Programmierer können aus vielen Angeboten wählen, müssen sich häufig nicht selbst beim Unternehmen bewerben sondern werden von diesen angeworben.

Stack Overflow, nach eigenen Angaben die größte Entwicklerplattform weltweit, hat gerade einen Report (2017) herausgebracht, der aufzeigt, über welche Kanäle HR-Mitarbeiter Personal rekrutieren. Wir haben mit Stefan Schwarzgruber, Country Manager DACH bei Stack Overflow gesprochen und nachgefragt, wie man auch als mittelständisches Unternehmen bei Programmierern punkten kann und worauf man als Personaler achten sollte.

Herr Schwarzgruber, wie hat sich der Personalbeschaffungsprozess in den letzten 10 Jahren verändert?

Die Entwicklung geht mehr und mehr von einem Arbeitgeber-, hin zu einem vom Arbeitnehmer bestimmten Markt. Sprich: Kandidaten können sich ihre Jobs aus mehreren Angeboten aussuchen. Doch nicht nur das: Wer Entwickler einstellen möchte, muss langfristig denken. Die Agentur für Arbeit gibt an, dass es im Schnitt 134 Tage dauert, um eine offene Vakanz im IT-Sektor zu füllen. Das ist 48 Prozent länger als im Durchschnitt aller Berufe. In unserer jüngsten IT-Recruiting-Studie haben wir gesehen, dass für 39 % der Befragten Active Sourcing mehr als die Hälfte der Recruiting-Maßnahmen ausmacht.

Einfach nur eine Anzeige zu posten, kann also im Jahr 2017 nicht mehr ausreichen. Es gilt, in die aktive Direktansprache zu gehen und sich eine nachhaltige Pipeline aus Kandidaten aufzubauen.

Wie können kleine und mittelständische Unternehmen ihre Sichtbarkeit bei Entwicklern erhöhen?

Gerade kleinere Unternehmen und der Mittelstand sollten Teil der regionalen Tech-Community werden. Beispielsweise einen Tag der offenen Tür veranstalten, Meetups für bestimme Programmiersprachen oder Themen abhalten, das eigene Team zu Hackathons, Vorträgen oder Seminaren entsenden.

On- wie offline kann man, je nach Typ, dann die eigenen Entwickler ermuntern sichtbar zu sein. Ermuntern Sie Ihr Team zum Teilen (per Twittern im Rahmen eines Blogs, als Speaker über Fachmagazinbeiträge) und nicht zuletzt: Fördern Sie Ihren Nachwuchs und bieten Sie Weiterbildung in der Branche an. Etwa als Schirmherr für Jugendinitiativen. Stellen Sie Entwickler als Seminarleiter an Unis frei. 

Welche Benefits sind Entwicklern besonders wichtig?

Es geht gar nicht darum, dass jedes Unternehmen Google oder das hippe Berliner Start-Up sein muss. Schließlich will ein Unternehmen die Entwickler ansprechen, die dann auch zur jeweiligen Kultur passen.

Die Work-Life-Balance ist sicher ein Stichwort, mit dem man nicht nur bei Entwicklerkandidaten, sondern Mitarbeitern generell punkten kann. Und natürlich freuen sich auch Entwickler über mehr Urlaub, flexible Arbeitszeiten oder kostenloses Mittagessen.

Die Benefits sind eine gute Möglichkeit, zu zeigen, dass man verstanden hat, was Entwicklern wichtig ist. Hier gibt es zwei Richtungen:

Erstens: Alles rund um das Thema Weiterbildung. Das beginnt mit Budget für die neusten Tools und Hardware, Konferenzbesuche, die Einladung von Sprechern zu Fachthemen und schließt aber auch Zeit zum Erlernen neuer Tools und für Freizeit Projekte mit ein. Manche Unternehmen erlauben Mitarbeitern beispielsweise einen Tag in der Woche an eigenen Projekten zu tüfteln.

Zweitens: Berücksichtigen Sie besonders die Bedürfnisse, die das ungestörte Arbeiten betreffen. Der Wunsch nach eigenem Office-Space, der Möglichkeit von Remote-Arbeit von zuhause, oder vielleicht auch nur die nette Geste von erstklassigen Kopfhörern zur Geräuschminimierung.

Werden Stellenanzeigen überhaupt noch gelesen?

Viele leider nicht. Es kommt auf den Kanal und das Drumherum an.

Stellenanzeigen müssen immer noch klar und ansprechend geschrieben sein. Sind sie langweilig, bürokratisch oder enthalten keine oder widersprüchliche Angaben, gehen Entwickler sofort verloren.

Doch damit sie überhaupt erst eine Chance bekommen gelesen zu werden, sollten Sie beispielsweise in einer E-Mail mit Direktansprache gesendet werden. Hier gilt dann: Egal wie gut die Stellenanzeige ist, wenn nicht auch die Email einen persönlichen Bezug zwischen Entwicklerprofil und Unternehmen herstellt, hat man wenig Chancen, dass ein Kandidat sie überhaupt öffnet.

Funktioniert IT Recruitung überhaupt noch ohne Active Sourcing?

Für 39 % der Befragten der Stack Overflow Umfrage unter IT-Recruitern macht Active Sourcing mehr als die Hälfte der Recruiting-Maßnahmen aus.

Die Frage, die sich heute stellt, ist eher: Wie kann man das Active Sourcing am besten gestalten? Braucht man externe Hilfe? Kann das eigene Team angelernt werden? In sehr kleinen Unternehmen sogar die Entwicklungsleitung eingebunden werden?

Aber ein Recruiting-Mix sollte heute aktive und passive Methoden einschließen. Nur so können entsprechend auch latent wechselwillige Kandidaten erreicht werden. Sie stellen die Mehrheit mit ca. 60% der Entwickler.

Was sollten IT Recruiter beim Active Sourcing beachten?

Zunächst einmal gilt für alle, die neu in das Thema einsteigen: keinen Frust aufkommen lassen. Erfolg definiert sich anders, als man es vielleicht aus der Rekrutierung anderer Berufsgruppen gewöhnt ist.

  1. Halten Sie sich vor Augen: Im Durchschnitt müssen Unternehmen 43 Entwickler anschreiben, um eine Stelle zu besetzen. Vier Tipps können dabei Deinen Erfolg erhöhen:
  2. Verschicken Sie ausschließlich personalisierte Nachrichten, in die einige Recherche über den Kandidaten oder die Kandidatin geflossen ist. Erwähnen Sie relevante Projekte, Arbeitgeber oder auch Blogeinträge, Socialmedia-Postings zum Thema. Je mehr ein Entwickler verstehen kann, warum Sie gerade ihn anschreibst, umso wahrscheinlicher antwortet er.
  3. Für besonders zentrale Stellen können Sie dabei auch Ihr Entwicklerteam einbinden. Welcher Kandidat fühlt sich nicht geschmeichelt, wenn er vom Entwicklungsleiter mal persönlich zum Kaffee eingeladen wird? Oder bauen Sie Zitate ein: “Unserem Team hat dein Projekt auf Github gut gefallen und wir würden uns gerne mal zu deinem Open Source-Projekt unterhalten.”
  4. Machen Sie Ihr Unternehmen und die Stelle so richtig schmackhaft. Für Entwickler bedeutet das aber: kein Marketing-Jargon oder lauter Superlative wie "Großartig" oder "Super". Vielmehr geht es darum, für die Unternehmensbeschreibung die Entwicklerbrille aufzusetzen. Wie wird die Arbeit des Entwicklers Deinen Erfolg beeinflussen? Was genau ist die Aufgabe? Was sind die Herausforderungen dabei? Ihre Beschreibung sollte sich am Ende so lesen, wie ein Entwickler seinen Job einem Kollegen beschreiben würde. Also verfassen Sie auch diese am besten mit Entwicklern.
  5. Und zu guter Letzt: Machen Sie sich über den Kanal Gedanken. Im Umfeld von Stack Overflow, die weltweite Frage-und-Antwort-Plattform Nummer eins rund um das Thema Softwareentwicklung, erreichen Sie Entwickler direkt beim tagtäglichen Lösen von Programmierfragen. 


Vielen Dank für das Gespräch!

Lesedauer: 5 Minuten
Kategorie
Marketing
Schlagwort
Active SourcingIT
Autorin
Sandra Eule unterstützt Pinuts mit interessanten Blogartikeln und Themen rund um die Digitalisierung.
Sandra Eule
Autorin

Sandra Eule begeistert sich seit ihrem Studium der Wirtschaftskommunikation für Employer Branding und HR Themen. Bei Pinuts ist sie für diese Bereiche zuständig und tauscht sich viel mit den Entwicklern aus um deren Bedürfnisse zu verstehen und das positive Betriebsklima zu bewahren. Auf piKnowledge schreibt sie über ihre Erfahrungen und Herausforderungen im Recruiting von Entwicklern.